Ein Blick in die Demenzforschung – Deutsche Alzheimer Gesellschaft vergibt Forschungsförderung

Monika Kaus, Vorstansvorsitzende DAlzG mit Prof. Dr. Gültekin Tamgüney von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Saskia Weiß, Geschäftsführerin DAlzG Foto: DAlzG / ctillmann

Monika Kaus, Vorstandsvorsitzende DAlzG mit Imane Henni-Rached von der Rheinhessen-Fachklinik Alzey und Saskia Weiß, Geschäftsführerin DAlzG Foto: DAlzG /ctillmann

Die von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) vergebene Forschungsförderung 2022 beträgt insgesamt rund 400.000 Euro. Mit dieser Summe werden sechs Projekte gefördert, welche die medizinische und pflegerische Versorgung der Betroffenen verbessern sollen.

Die Forschungsförderung der DAlzG wird alle zwei Jahre vergeben, die Mittel stammen aus zweckgebundenen Spenden und sollen die Forschung zur Versorgung Demenzerkrankter und ihrer Angehörigen unterstützen. Auf die Ausschreibung hin, die Ende 2021 erfolgte, wurden mehr als 25 Forschungsvorhaben eingereicht.

Darüber hinaus konnten rund 350.000 Euro für die Grundlagenforschung vergeben werden, die der DAlzG von der Förderstiftung Dierichs zur Verfügung gestellt werden. Mit dieser Summe werden drei Forschungsprojekte gefördert, die im Bereich der Grundlagenforschung zu Demenz aktiv sind. Saskia Weiß, Geschäftsführerin der DAlzG, sagte dazu: „Ich freue mich sehr, dass wir in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal eine Forschungsförderung in Kooperation mit der Förderstiftung Dierichs vergeben können und auf diesem Weg die wichtigen Anstrengungen in der Grundlagenforschung unterstützt werden.“

Im Rahmen des 11. Kongresses der DAlzG in Mülheim an der Ruhr stellten die Forscherinnen und Forscher am 1. Oktober 2022 die geförderten Projekte vor.

Zielgerichtete Einbeziehung von Angehörigen in die Versorgung von Menschen mit Demenz

Eine Fördersumme von 75.548,00 Euro erhalten Dr. Marion Eisele und Dr. med Dagmar Lühmann vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf für das Projekt „EMPOR - Entwicklung eines Leitfadens für Gespräche zwischen Pflegefachpersonen und Angehörigen von Menschen mit Demenz in Pflegeheimen zum sinnvollen und zielgerichteten Einbezug dieser in die Versorgung.“ Während Pflegefachpersonen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches und mit meist knappen Ressourcen die bestmögliche Versorgung für einen Menschen mit Demenz leisten, ist die betroffene Person für die Angehörigen Teil des eigenen Lebens, dem sie in der entsprechenden Situation die bestmögliche Unterstützung bieten wollen. Nicht immer wird das Potential der Unterstützungsmöglichkeit durch Angehörige zielgerecht eingesetzt. Durch leitfadengestützte Interviews und Fokusgruppendiskussionen mit Pflegefachkräften und Angehörigen von Menschen mit Demenz wird ein Gesprächsleitfaden für ein wechselseitiges Gespräch entwickelt, welches die Zusammenarbeit der beiden Interessensgruppen zum Wohle der Menschen mit Demenz unterstützen soll.

Etablierung eines Nachsorgeangebotes für Menschen mit Demenz

Eine Fördersumme von 92.080,00 Euro erhalten Viktoria Gerharz, André Hennig und Imane Henni Rached von der Rheinhessen-Fachklinik Alzey für das Projekt „Etablierung eines APN-getragenen, digital unterstützten und dialogischen Schnittstellenmanagements für Menschen mit Demenz nach einem Aufenthalt in der Gerontopsychiatrie“. Um zu verhindern, dass Menschen mit Demenz nach ihrer Entlassung aus der Gerontopsychiatrie zeitnah erneut eingeliefert werden, möchte das Projektvorhaben zur Förderung eines bedürfnisorientierten (Wieder)einlebens von Menschen mit Demenz nach einem Aufenthalt in der Gerontopsychiatrie beitragen. Ein Advanced Practice Nurse (APN) gesteuertes und digital unterstütztes Schnittstellenmanagement soll etabliert werden. Das Nachsorgeangebot soll proaktiv beworben werden und durch digitalisierte Prozesse, auch in Krisenzeiten, niedrigschwellig zur Verfügung stehen. Netzwerkpartner und Akteure aus den Bereichen Gerontopsychiatrie, Alten-und Pflegeheime, Psychiatrische Institutsambulanz (PIA), Hausärztinnen und Hausärzte sowie Psychiaterinnen und Psychiater in Alzey und Umgebung werden in den Prozess involviert.

Einflussnahme von Stereotypen auf die Situation eines pflegenden Angehörigen

Mit 22.740,00 Euro fördert die DAlzG das Projekt „‚Mein Angehöriger ist an Demenz erkrankt“ – Einstellungen, Stereotypien und damit assoziierte Konsequenzen für den Umgang mit Demenz – eine Übersichtsarbeit (Demenzbilder)“ von Prof. Dr. René Thyrian vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Standort Rostock / Greifswald und Swen Staack vom Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein. Bis dato existiert nur wenig Forschung über „Demenzbilder“ aus der Perspektive der Angehörigen von Menschen mit Demenz. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese einen wichtigen Einfluss auf die körperliche und mentale Gesundheit des Angehörigen und den Umgang mit der Situation als (pflegender) Angehöriger hat. Ziele des Projektes sind neben einer orientierenden Analyse zum Forschungsstand, eine Beschreibung von stereotypischen „Demenzbildern“ und deren Zusammenhang mit dem Stadium des diagnostischen Prozesses und der Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten.

Förderliche Effekte von Partizipation auf Menschen mit Demenz

Für das Projekt „Psychische Effekte der Partizipation bei Menschen mit Demenz und deren Zugehörigen in Forschungsvorhaben (PsychPart)“ an der Universität Siegen erhalten Prof.in Dr. Julia Haberstroh und Katja Seidel eine Summe von 20.820 Euro. Der partizipatorische Einbezug von an Demenz erkrankten Menschen und deren Zu- und Angehörige als Ko-Forschende an Forschungsvorhaben erhöht die Wahrscheinlichkeit positiver Forschungsergebnisse. Aus Sicht der Ko-Forschenden kann die Erfahrung von Teilhabe und Mitwirkung jedoch noch mehr bedeuten und bewirken. Das Projektvorhaben legt daher aus psychologischer Perspektive den Blick auf die förderlichen Effekte von Partizipation auf Menschen mit Demenz (MmD) und An- und Zugehörige selbst. Individuelle und positive Effekte der Partizipation auf die Erlebens- und Verhaltensebene werden dafür erhoben und analysiert. Flankierend sollen zudem praktische und methodische Zugänge und Möglichkeiten der Teilhabe von MmD sowie von Zu- und Angehörigen systematisch erarbeitet und gemeinsam mit allen Ko-Forschenden aufbereitet werden. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Beteiligungsmöglichkeiten von Betroffenen an Forschungsvorhaben und insbesondere in Form von Beiräten auszubauen, zum einen durch das Sichtbarmachen der förderlichen Effekte von Partizipation auf die Betroffenen selbst, zum anderen durch eine Handreichung für interessierte Verbände, Einrichtungen und Institutionen.

Triadische Gesprächssituationen auf Augenhöhe

Eine Summe von 83.360 Euro erhält das Projekt „TriaTalkSuccess - Triadische Gesprächssituationen mit Menschen mit Demenz und informell Pflegenden in der hausärztlichen Versorgung erfolgreich meistern“ vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Viel zu oft werden Menschen mit Demenz in einem Gespräch mit ärztlichem Personal und den pflegenden Angehörigen in eine Außenseiterrolle gedrängt, in der sie marginalisiert, nicht wahrgenommen und nicht gehört werden. Dr. Nadine Pohontsch und Prof. Dr. Martin Scherer wollen mit ihrem Projekt Barrieren für eine erfolgreiche triadische Kommunikation sowie förderliche Faktoren zur Verhinderung behindernder Kommunikation in der hausärztlichen Versorgung von Menschen mit Demenz identifizieren. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse sollen praxisorientierte Handlungsempfehlungen für alle an den Gesprächen beteiligten Personengruppen entstehen.

Nachteile von Isolation und Quarantäne für Menschen mit Demenz verhindern

Das in Kanada entwickelte Dementia Isolation Toolkit (DIT) hat den Anspruch, eine möglichst personzentrierte, sichere und wirksame Isolation und Quarantäne von Bewohnerinnen und Bewohnern in stationären Altenpflegeeinrichtungen zu fördern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Anwendung von Isolationsmaßnahmen zu unterstützen. Dr. Martin N. Dichter und Prof. Dr. Sascha Köpke von der Uniklinik Köln, Detlef Rüsing von der Hochschule Osnabrück und Christian Müller-Hergl erhalten für ihr Projekt „Übersetzung, Evaluation und Dissemination des Dementia Isolation Toolkit (DIT-G)“ 72. 520,00 Euro. Ziel des geplanten Projektes sind die Übersetzung, die kulturelle Anpassung, die Evaluation der Inhaltsvalidität und Anwendbarkeit sowie die Bekanntmachung des DIT für den Einsatz in der stationären Altenpflege in Deutschland.

Nicht-invasives Verfahren zur Früherkennung von Demenz

Neuere Erkenntnisse bei Alzheimer-Patienten zeigen, dass Beta-Amyloid-Aggregate (Aβ) und/oder Tau-Aggregate in Körperflüssigkeiten transportiert werden. Es wird angenommen, dass Aβ- und/oder Tau-Aggregate sodann im Kot ausgeschieden werden. Das Projekt „Ein diagnostischer Test für die Alzheimer-Krankheit auf der Grundlage einer Stuhlanalyse“ rund um Prof. Dr. Gültekin Tamgüney von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erhält in Kooperation mit der Förderstiftung Dierichs 124.740,00 Euro. Ziel der Forschenden ist die Sammlung von Stuhlproben von Alzheimer-Patienten und anderen an Demenz erkrankten Menschen sowie von gesunden Probanden, um zu überprüfen, ob sich die bisherigen Annahmen auch in größeren Kontrollgruppen bestätigen lassen. Langfristig könnte auf diesem Weg eine neue, nicht-invasive Methode zur Erkennung einer Demenzerkrankung entwickelt werden.

Hirnblutungen im Rahmen medikamentöser Therapien begegnen

Von der Förderstiftung Dierichs erhält das Projekt „MagDeburger DrAinage-Reserve-Score zur individualisierten, MRT-basierten Vorhersage der perivaskulären zerebralen Drainage bei Patienten entlang des Alzheimer-Kontinuums“ von Prof. Dr. Stefanie Schreiber, PD Dr. Daniel Behme und Dr. Hendrik Mattern von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg eine Summe von 115.000,00 Euro. Immuntherapien gegen das typische Alzheimer-Protein β-Amyloid (Aβ), ein Abfallprodukt der Nervenzellaktivität, bergen das Risiko von Hirnblutungen und Ödemen. Dieses Risiko scheint in direktem Zusammenhang zu einer hohen Last an Aβ-Ablagerungen entlang der kleinen Hirngefäße zu stehen, die vermutlich Folge einer unzureichenden perivaskulären Drainage (PVD) sind. Patienten mit einer derart beeinträchtigten PVD sollten demnach ein höheres Risiko für diese schwerwiegenden Nebenwirkungen haben und müssen konsequenterweise stringent selektiert und während der Aβ-Immuntherapie kontinuierlich beobachtet werden. Im Projektverlauf sollen multimodale PVD-assoziierte MRT-Marker erfasst, quantifiziert und zur Schwere der Alzheimer-Pathologie in Beziehung gesetzt werden. Daraus soll der sogenannte MagDeburger DrAinage-Reserve-Score etabliert werden, der eine effektive und präzise patientenspezifische Quantifizierung des Ansprechens und der Sicherheit PVD-abhängiger Therapieansätze anhand von MRT-Biomarkern ermöglichen wird.

Den Ursachen der Krankheitsentstehung ein Stück näherkommen

Das Projekt „MIF als eine neuartige, therapierbare, molekulare Schnittstelle zwischen der sporadischen Alzheimer Demenz und externer, auslösender Faktoren“ von Prof. Dr. Carsten Korth an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erhält von der Förderstiftung Dierichs 117.000,00 Euro. Die Ursachen der sporadischen Alzheimer Demenz (AD) sind unbekannt. In Vorarbeiten wurde der Macrophage Migration Inhibitory Factor (MIF) als molekulare Schnittstelle zwischen externen, entzündlichen Faktoren und der charakteristischen zellulären Pathologie der AD identifiziert. Im nun geförderten Projekt soll MIF als molekulare Schnittstelle weiter untersucht werden. Ziel ist, einen neuen, wichtigen Faktor bei der Entstehung der sporadischen AD auf molekularer Ebene zu charakterisieren und ein neuartiges, auf diese Schnittstelle wirkendes Medikament weiterzuentwickeln. Dies eröffnet neue Perspektiven hinsichtlich der Diagnostik und Therapie der sporadischen AD.