Erfahrungsaustausch für Menschen mit einer beginnenden Demenz und "Gruppenleiter"

Aus: Alzheimer Info 2/13

"Wir müssen uns nicht schämen!" und "Wir möchten alle gern im nächsten Jahr wiederkommen!“ – so lautet das Fazit von Frau Spieker nach dem zweitägigen Erfahrungsaustausch, der am 20. und 21. März 2013 in Fulda stattfand.

34 Personen nahmen an dem Erfahrungsaustausch teil. Neben Frau Spieker kamen acht weitere Menschen mit beginnender Demenz, drei Angehörige und 23 Gruppenbegleiter aus 15 verschiedenen Gruppen für Frühbetroffene nach Fulda. Diese Art Treffen werden seit 2010 von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft einmal jährlich veranstaltet. Neu ist, dass es zum ersten Mal ein Treffen mit Übernachtung war.

Anne Brandt vom Kompetenzzentrum Demenz Schleswig-Holstein stellte in ihrem Eröffnungsvortrag verschiedene Konzepte der Gruppenarbeit vor. Ihre prägnanten Thesen waren ein guter Einstieg in eine lebhafte Diskussion. Das Zusammensein mit anderen Betroffenen, die Möglichkeit der offenen Aussprache, die vielfältigen Tipps, aber auch die gemeinsamen Aktivitäten und Bewegungsangebote in den Gruppen wurden insgesamt als sehr positive, unterstützende Faktoren hervorgehoben.

Gleichzeitig wurden Fragen aufgeworfen wie: Wieviel Leitung braucht eine Gruppe? Wie geht man damit um, wenn die Krankheit fortschreitet? Die Musiktherapeutin Silke Kammer stellte die Einsatzmöglichkeiten von Musik in den Gruppen vor und lud anschließend zu einer gemeinsamen Musikstunde ein. Alle erlebten: Musiktherapie ist mehr als Singen von "Hoch auf dem gelben Wagen" oder "Kein schöner Land". Die Verknüpfung von Liedern mit Elementen des Gedächtnistrainings fördert und macht viel Spaß. Großen Anklang fanden auch die eher unbekannten Instrumente wie Kalimba, Sansula und Ocean Drum.

Schwerpunkt des zweiten Tages war dann der Austausch in drei Kleingruppen, den Gruppen der Betroffenen, der Begleiter und der Angehörigen. Die Betroffenen sprachen vor allem über Fragen wie

  • Wie erging es mir nach der Diagnose?
  • Was mache ich mit den vielen Stunden am Tag, jetzt, wo ich nicht mehr arbeiten gehe?
  • Welche Strategien helfen mir, mit meinen Einschränkungen zu leben?
  • Wie lange darf ich noch Autofahren?

Die Diagnose selber war wie ein "Schlag ins Gesicht" – so ein Teilnehmer. Alle berichteten davon, dass sie sich danach erst einmal zurückgezogen hätten. Es sei ein schwieriger Prozess gewesen, die Krankheit zu akzeptieren.

Die (Selbsthilfe)Gruppen für Frühbetroffene erlebten sie als sehr unterstützend. Sowohl im Austausch mit ebenfalls Betroffenen als auch im gemeinsamen Tun schöpften sie Mut und neue Kraft. Sie erlebten, dass es noch "ganz viel schönes Leben" gibt. Auch das Zusammensein mit Freunden, der Besuch von Volkshochschulkursen, Yoga oder Spazierengehen werden als stärkend erlebt. Jedoch das Autofahren aufzugeben, egal ob aus eigener Überzeugung oder auf Druck von außen, sei eine „bittere Pille“. Die Trauer über diesen Verlust war spürbar. Trotzdem berichtete ein Teilnehmer mit Stolz, dass er zwar den Führerschein behalten, das Auto aber an seine schwangere Tochter gegeben habe, die es jetzt dringender brauche als er.

Bei den Gruppenbegleitern, die sich als Unterstützer, Moderatoren, nicht aber als "Leiter" der Gruppe verstehen, fanden sich Teilnehmer zusammen, die bereits über lange Jahre eine Gruppe moderieren und solche, die gerade neu eine Gruppe gegründet haben. Dies machte den Erfahrungsaustausch so interessant. Unterschiedliche Wege wurden aufgezeigt, wie es gelingen kann, dass auch jüngere Menschen, die gerade die Diagnose erhalten, von dem Angebot für Frühbetroffene erfahren, besonders auch im ländlichen Raum.

Viele Gruppen wollen so lange wie möglich zusammenbleiben, auch wenn die Krankheit voranschreitet. Wird aber der Austausch für einzelne Teilnehmer zu anstrengend, entscheiden diese häufig von sich aus, die Gruppe zu verlassen. Bei den Gesprächsgruppen gilt allgemein die Vereinbarung, dass die Krankheit und deren Auswirkungen auch Thema eines Gruppenabends werden können. Wie offen und wie intensiv darüber geredet wird, hängt einerseits von den Wünschen und Bedürfnissen der einzelnen Gruppenmitglieder ab. Andererseits davon, dass die Gruppenleiter sensibel, aber beherzt, die Themen immer wieder ansprechen.

Die drei anwesenden Angehörigen setzten sich zu einer zweistündigen Selbsthilfegruppe zusammen. Sie tauschten sich untereinander aus und stärkten sich gegenseitig. Dies war im Anschluss daran an ihren entspannten Gesichtern abzulesen.

Ermutigt, erfüllt und angeregt verabschiedeten sich alle, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.

Helga Schneider-Schelte und Saskia Weiß,
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.